Von Delhi aus kommend landen wir in Bagdogra in der Provinz West Bengalen.
Unser Guide erklärt uns diese einmalige geografische wie auch politische Lage
dieses Korridors zwischen Nepal, Bhutan und China. Er ist für allerlei
Spannungen gut. Denncoh ist es ein wirtschaftlicher Knotenpunkt zwischen den
Länder, wenn auch mit China direkt kein Handel betrieben werden darf. Uns föllt
sofort der bunte ethnische Mix aus nepalesischen und sog. Indoafrikanischen Menschen
auf. Es sind kleine Menschen, die einen mit einem flachen Profil und heller
Haut, die anderen mit dunkler Haut und einem prägnanten Profil. Die
indoafrikanische Minderheit soll zum einen durch Zuwanderung, zum anderen mit
den Briten hierhergekommen sein, um in den Teefeldern zu arbeiten.
Womit wir schon bei dem vorherrschenden Thema dieser Region um Darjeeling
sind. Liegt Bagdogra noch in der Ebene, erreichen wir jedoch schon nach wenigen
Kilometern die hügeligen Ausläufer der Berge. Sofort fahren wir durch
Teefelder. In den flachen Abschnitten wird der etwas anspruchslosere Assam
angebaut. Die Landschaft wirkt karg. Erst mit dem Anstieg in die Ausläufer der
Berge wird die Vegetation üppiger. Mit zunehmender Höhe werden die Hänge steiler,
die Täler tiefer. Ursprünglicher „Urwald“ aus haushohen Dracenapalmen, Bambus,
Ficus und Akazien tritt hervor. Die Täler werden eng und schattig, und zwischen
den Bergwänden liegt ein feiner feuchter Dunst, der stellenweise abregnet.
Die Straße ist eng und holprig. In engen Serpentinen quält sie sich in die
Höhe. Sie wurde 1830 von den Engländern für Karren und Gespanne gebaut, wurde
für das Militär erweitert und seitdem ständig geflickt. Die Kehren sind
unmenschlich eng. In 160° und fast noch unterhalb des Wendekreises eines PKWs
verlangen sie vom Fahrer alles ab. Sie sind so steil, dass man entgegenkommende
Fahrzeuge nicht sehen sondern nur durch das Gehupe hören kann.
Unser Ziel, Kurseong, liegt auf einem Hügelrücken inmitten eines
Teeanbaugebietes. Ambrotia-Tee ist der größte Anbauer. Wir blicken vom Kamm aus
zu beiden Seiten auf schier endlos sich erstreckende Teeplantagen. Dazwischen,
zum Schatten spenden, sind Lebensbäume gepflanzt, die mit ihrer ausladenden
jedoch laublosen Krone ein schützendes Dach bilden sollen. Teepflückerinnen
sind emsig damit beschäftigt, Unkraut zwischen den Pflanzen auszureißen. Sie
sind überwiegend indoafrikanischer Statur, klein, hager dunkelhäutig mit lustig
dreinschauenden Lidspalten und einem roten Punkt zwischen den Brauen. Man kann
sie nicht recht in nepalesich-tibetisch oder indisch einordnen.
Sie fangen bei unserem Anblick an zu giggeln und verfolgen die großen
Europäer verhalten mit ihren Augen. „Namastè“, grüßen wir freundlich und
bekommen sofort ein freundliches „Namastè“ mit einer Begleitung von halb Lachen
und Erstaunen zurück.
Kurseong bedeutet „Land der weißen Orchideen“. Mit 80.000 Einwohnern ist es kein
kleines Dorf. Es liegt auf einer Höhe von 1458 m und ist neben Teeanbau
vor allem für seine Schmalspurbahn, der Darjeeling Himalayan Railway, bekannt, die hier an das Schienennetz nach Darjeeling angebunden ist. Die
Bahn stand kurz vor dem Aus, als es zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt worden
ist. 14 Dampflokomotiven sind im Einsatz, doch ab Kurseong fährt eine
Diesellok. Es ist ein Relikt der Engländer, die diese Bahn mit einer Spurbreite
von nur 2 Zoll &62cm) für den Personenverkehr anlegten. Die Strecke ist 82
Kilometer lang, wofür der Zug 8 Stunden benötigt.
Um 15.00 besteigen wir einen der beiden angehängten Wagons in Kurseong.
Spartanisch ist untertrieben. Die ehmaligen Holzpritschen sind gegen bequeme
Sitze ausgetauscht. Es gibt pro Wagon 24 Sitze in einer 1-2 Bestuhlung. Die
Decke ist noch mit den alten hölzernen Profilleisten verziert. Während das „bessere“
Abteil während der Fahrt die Türen schließt, sind die des hinteren Wagons
offen. Sie bieten Kindern die Gelelgenheit, in Kehren, durch die der Zug mit
Schrittgeschwindigkeit fährt, auf- und abzuspringen, bis Beamte sie während der
Strecke oder am Bahnhof wieder herausrufen.
Die Spur führt am Rand und auf der Straße entlang. In den Städten sind die
Gebäude unmittelbar bis an das Gleisbett gebaut. Nur wenige Zentimeter trennen
die Wagons von den Auslagen der Geschäfte. Ich wage es nicht, aus dem Fenster
zu schauen, denn mir schaukeln Bananen, Stoffe und Metallwaren entgegen. Die Fahrt
ist mit einem Dauergehupe der Lok begleitet. Sie hat einen anderen und lauteren
Ton als die PKWs und warnt zum einen die Geschäftsinhaber aber auch die Autos,
die in Kurven das Gleis kreuzen, das in einer Idealline dann quer und ohne
Schranke durch die Fahrbahndecke schneidet.
Landschaftlich fallen uns weiterhin die nahen Berge auf. Von 1480 m
schrauben wir uns auf den folgenden 15 Kilometer auf 2000 m empor. Häuser
schleichen vorbei. Sie muten seht nepalesisch an: schmales Fundament für ein
einstöckiges niedriges Wohnhaus. Die lichte Höhe mag kaum mehr als 2 m
betragen. Die Wände sind mitunter zur unteren Hälfte mit Wellblech beschlagen,
darüber mit Holz verkleidet. Die Fenster scheinen Fensterläden zu haben, doch
es sind nur aufgebrachte Bleche ohne schließende Funktion. Das Dach ist wie ein
niedriges Sattelwalmdach aus Wellblech oder gebrannten Schindeln. Die Häuser
weisen einen Grundriss von vielleicht nur 4 mal 2.5 m auf, können am Hang jedoch
über 3 oder mehr Etagen gehen. Sie sind sehr farbenfroh gehalten; grün, pink,
hellblau oder rot.
Die Bahn ist das Ereignis. Frauen, in Decken eingehüllt, halten ihre
Kinder auf den Arm, die winkend den Zug begleiten. Kameras halten die
Durchfahrt an den Geschäften fest, andere posieren vor dem vorbeischnaubenden
Tross. Gegen 16.00 haben wir eine Höhe erreicht, in der wir die Wolkendecke zu
durchstoßen scheinen. Es wird grau und dunstig, Konturen verwischen, und die
Sicht beschränkt sich auf den Straßenrand. In Sonada steigen wir aus und fahren
den Rest nach Darjeeling mit dem begleitenden Auto.
Trotz der wenigen verbleibenden Kilometer ist es bei Ankunft fast schon
dunkel – und es wird kalt.
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