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Donnerstag, 30. Januar 2014

Delhi - Amritsa: The swinging "Wachablösung"

Die unbequemste Art, in Indien von A nach B zu kommen, ist das Auto. Egal, wie breit oder frei die Straßen auch sein mögen, schneller als 30 Kilometer schafft man nicht in der Stunde. Ein Phänomen, das nicht nur durch den irren Verkehr nahe des Straßeninfarktes zu erklären ist. Wir probierten heute für die 495 km nach Amritsar den "Highspeed Express", der immerhin bei geplanten 7 Stunden Fahrzeit auf knapp 60 km/h käme. Noch scneller wäre nur das Flugzeug, wenn die gebuchte Airline nicht gerade Konkurs geht (siehe Kingfisher Airline). Wir ware zuversichtlich, denn Indien hat viel Erfahrung mit Schienenverkehr. Bei den unzähligen Milliarden Passagieren pro Jahr nehmen sich die 2 bis 3 Zugunglücke, die den Weg in unsere Presse finden eher beschieden aus und lassen selbst den Flieger als unzuverlässig erscheinen.
Wir verließen das Hotel in einer dichten Dunstglocke um 6.30. Gespenstisch leer lagen die Straßen im fahlen Licht der Lampen. Die wenigen Autoscheinwerfen warfen eine dicke Leuchtspur durch den dichten Vorhang aus Schwebeteilchen. Smog und Nebel, zu dieser Jahreszeit normal. Wir sahen keine 10 Meter weit, tasteten uns sicher an unbeleuchteten Rikschas vorbei, ohne jemanden umzufahren. Mir fiel gleich wieder die Geschichte unseres Guides aus Burma ein, der froh über unsere helle Haut war, die von Autofahrern auch bei schlechter Sicht sicher ausgemacht werden kann...

Am Bahnhof herrschte schon ein reges Treiben. Bereits bei der Auffahrt kreisten Gepäckträger um die Autos, klopften an die Scheiben und boten ihre Dienste an. Auffallend war ihre "Uniform" aus zerschlissenen roten Jacken und einem grauen zum Turban geknoteten Tuch, das lang über die Schultern fiel. Knochige Gesichter, ausgezehrt und mit harten Zügen. 

Wir packten unsere Koffer und hielten unsere Habseligkeiten auf Empfehlung eng am Körper. Wir balancierten über die Bordteinkanten und über die Stoßstangen von Autos und den schwarz-gelben Tuctucs, die dicht aneinader parkten und ein Fortkommen erschwerten. Im Bahnhofvorsaal schliefen Leute auf Decken, pichnickten Familien, riefen Taxifahrer nach Gästen. Eine gleißende LED Anzeige warf buntes Licht fahl und kalt über diese unwirtliche Szene. In großen Lettern war unser Zug mit Platform und Abfahrtszeit angeschlagen.

Tja , der Zug. Ich schätze, so etwas hat die Bundesbahn in den 60er Jahren eingestampft. In einem einzigen Großraumaabteil waren ca 15 Reihen mit einer 3-2er Bestuhlung angebracht. Kunstledersessel mit verstellbarer Lehne, deren Polsterung unter dem Gewicht schnell aufgab. Der farbliche Akzent war ein flaues Gelb, das an den Ecken und Kanten den Blick auf die letzten Lackschichten preisgab. Unter der Decke rotierten dicke Ventilatoren, um die kalte Luft aus den AC Schlitzen unter den Mann zu bringen. Ein ganz besonderes Highlight: Toiletten im "Indian Style" und "Western Style", übersetzt, einmal im Stehen über den Gleisen und einmal zum Sitzen über den Gleisen. Klopapier gibt es um die Ecke beim Waschbecken. Der Wagon füllte sich bis auf den letzten Platz, nur die Ziegen fehlten noch. Die soll es ja in der 2. Klasse geben. Ich habe keine gesehen. Das Abteil lebte jedenfalls.

Zwischen den Wagons findet sich jeweils in Inkubator, der Essen aufwärmt. Apropos, es gab ein verlängertes "Frühstück". Jeder Wagon leistete sich zwei Kabinenstewards, die in rascher Folge erst ein kleine Kanne heißes Wasser verteilten, gefolgt von einem Mini Tablet mit einem Teebeutel, Löffel, 2 Mermaid Keksen, später ein warmes Naan mit einem Töpfchen vegetarischen Currys oder Omlette. Dazu geb es eine Flasche Wasser. Alles inclusive Ticket und Steuern für 7200 Rupies (9 Euro). Wer will da meckern?

Was fehlte, war bloß die Aussicht. Wir fahren doch Bahn, um etwas vom Land zu sehen. Die ersten 2 Stunden fuhren wir durch dichteten Nebel. Die Smogglocke von Delhi mußten wir schon lange hinter uns gelassen haben, und hell wurde es ab 7.30 auch schon. Nein, die Fenster waren innen beschlagen. Sie tauten erst ab 12.00 ab. Was für ein Wunder! Plötzlich war das Land grün. Reisfelder, Getreide und Zitrusplantagen. Vereinzelt nur erspähten wir Kühe. Orte tauchten auf. Sie erkannte man an dem zunehmenden Müll entlang der Gleise. Neben den Gleisen ist ein freier unbebauter Streifen, der z.T. als Nutzgarten herhält. Gedüngt wird er ja von dem, was der Zug hergibt. Aber auf dieser eigentlichen Brachfläche steht der Müll knöchelhoch. Er wird als wilde Müllkippe genutzt. Plastikmüll, dazwischen die heiligen Rinder... Kann da nicht jemand ein Patent zur Rückgewinnung erfinden???

Unser Zug verspätete sich um eine Stunde, was die Durchschnittsgeschwindigkeit drückte. Um 14.20 trafen wir in Amritsa ein. Bis hierher kamen die Legionen von Alexander dem Großen. Der Ort ist vor allem dafür bekannt, dass er das höchste Heiligtum der Sikh beherbergt, den "Goldenen Tempel", und Grezort zu Pakistan ist mit einer ganz besonderen Zeremonie. Letztere ist sogar so bekannt, dass täglich 20.000 Besucher anreisen, um dabei zu sein.




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The swinging "Grenzkontrolle" 

Und die geht so:  An der Grenze holen die indischen und pakistanischen Soldaten in einer ähnlichen Zeremonie die Fahne ein und verschliessen den Übergang. Das ist die Theorie. In der Praxis wurde für diese Zeremonie auf beiden Seiten jeweils eine Tribüne aufgebaut, auf denen das Publikum mit ihren Landesfahnen zuschauen können. Doch es ist wie eine Inzenierung aus Bollywood. Großes Kino. Laute poppige Indi Musik heizt die Stimmung auf. Ausgelassen tanzen Mädchen in ihren farbigen Saris auf der Straße, über die gleich die Soldaten schreiten. Einige leufen mit ihren Fahnen ein Stück auf den pakistanischen Grenzposten zu. Die Menge grölt und schreit im Chor "Es lebe Indien" und von drüben schallt es danach: "Es lebe Pakistan". Es gibt auch eine Art Moderator, der in die Menge ruft, die darauhin antwortet. Es scheint alles total verrückt, ausgelassen und fröhlich. Die Bässe wummern richtig in der Magengrube. Ich schaue mich noch weiter um und entdecke die Landesfarben nicht nur als Fahne sondern auch auf den Wangen der Patrioten. 

Am Straßenrand sitzen die Älteren, Sikh mit ihren langen silbrigen spitzen Bärten und Frauen hinter dicken Brillengläsern. Sie scheinen gelassen. Dennoch hat diese Zeremonie für alle einen hohen Stellenwert. Sie wurde seit der Abspaltung von Pakistan beibehalten und gilt als Must-see für die Inder. Sie repäsentiert vieles. Zum einen sollen die Eigenarten des jeweiligen Landes gezeigt werden, doch auch der Nationalstolz. Mein Eindruck nach der Zeremonie: so viele Unterschiede gibt es nicht.

Esbeginnt mit einem zackigen Aufmarsch zweier Soldatinnen gefolgt von einem Soldaten, der symbolisch das Tor zu Pakistan öffnet. Dann marschieren ebenso zackig wie artistisch 2 weitere Soldaten zum Grenzposten. An der Grenzlinie bleiben sie stehen und markieren provozierende Geste, schütteln ihre Arme und Fäuste unter dem Gegröle der Menschenmenge. "Es lebe Indien" - "Es lebe Pakistan". Auf der pakistanischen Seite scheint die Zeremonie genauso abzulaufen. Die Soldaten sind sogar gleich gekleidet mi identischem Kopfschmuck, nur in Blau und mit Bart. Schließlich folgen die letzen beiden Soldaten, einer mit Trompete zum Posten. Feierlich wird nun mit einem tromptensolo die jeweilige Landesfahne eingeholt, zusammengelegt und von den ausgerückten Soldaten ebenso zackig zurückgebracht. Abschliessend wird symbolisch eine Kette über die Straße gespannt. Die Grenze ist zu - lang lebe die Freundschaft.









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